Täuschung - Fotoarbeiten der Künstlerin Kexin Zang im KunstHaus Potsdam Potsdamer Neueste Nachrichten(15.09.10)

Von Almut Andreae


Hier ein Stillleben mit rosa Teddybär und ein im Grastopf gestrandeter orangeroter Fisch. Dort ein Kandelaber nebst Zimmerpflanze, halb in weiße Schleier gehülllt. Ihnen stiehlt ein mit spitzen Gegenständen gepiercter Blumenkohl neben einer Puppe unter geborstener Bierflasche um ein Haar die Schau. Auch ein Arrangement mit rohen Fleischbatzen und gefüllten Trinkgläsern kommt da wenig appetitlich daher. Die farbintensiven Stilllife-Fotografien " 12 an der Zahl " im Rahmen der Ausstellung "Berechnungen einer Poetik der Beziehungen" mit Fotoarbeiten von Kexin Zang im KunstHaus Potsdam erscheinen wie ein Potpourri von Absurditäten.

Noch skurriler wird es für den Betrachter, wenn er sich von den Titeln der einzelnen Bilder aus der Serie "History" eine Auflösung der Bilderrätsel erhofft. Das Spektrum reicht von der Oktoberrevolution bis zur ersten Landung auf dem Mond. An den Untergang der Titanic gemahnt ein Arrangement mit ausgestopftem Fuchs, Butterstücken und aufgetürmtem Spielzeug. Der Fall der Berliner Mauer wird durch ein am Boden liegendes einzelnes Rad, verspritzte blaue Farbe und ein über einem Hummer drapiertes Knäuel Seil erinnert.

Diese messerscharf, mit geradezu steriler Präzision ins Bild gerückten Dinge werfen Fragen auf. Die sich zur Konzeptkunst bekennende Kexin Zang, die diese fotografischen Arbeiten erdacht und geschaffen hat, nimmt den Betrachter ernst bei dem Bedürfnis, den Sachen auf den Grund zu gehen. Jedem Bild hat sie eine Art Legende an die Seite gestellt, die in ihrem Aufbau einem stringenten Plan folgt.

Im Falle der Serie "History" richtet er sich nach einem uralten Wissensschatz der chinesischen Kultur, nach dem Buch der Wandlungen "I Ging". Aus dem 5000 Jahre alten Kompendium schöpft Kexin Zang jene Symbolik, die sich am Ende in ungewöhnlichen Arrangements zum konkreten Bild verdichtet. Zang, die 1978 in Beijing geboren und dort aufwuchs, praktiziert den Umgang mit dem I Ging, seit sie 12 Jahre alt ist. Geübt in der Befragung und Auslegung der Zeichen und Hexagramme ergibt sich ausgehend von dem Zeitpunkt der I Ging-Befragung zu einem konkreten Ereignis eine ganz bestimmte Konstellation. Symbole wie Wasser und Donner, Feuer und Wind, die im I Ging aus der Kreuzung von Befragungszeitpunkt und historischem Ereignis entstehen, korrespondieren mit Bildsymbolen. Angewendet auf ihre Fotografie werden sie zum Vokabular, denen die Künstlerin Kexin Zang in der Umsetzung ihre eigene Färbung gibt.

Welche konkreten Objekte genau sie für die Bildsymbole einsetzt, ergibt sich nicht zuletzt aus ihrem ständig wachsenden Requisitenfundus und den eigenen ästhetischen Vorlieben. Erst an dieser Stelle kommt eine gewisse Willkür ins Spiel. Alles andere folgt eher dem Zufallsprinzip. Geht es an die Umsetzung, das Arrangement und das Fotografieren mit der Plattenkamera, bewahrt sich Kexin Zang einen eher distanzierten Blick. Eine Deutung im engeren Sinne steht hier nicht einen Moment lang zur Disposition. Ganz im Gegenteil zielt die Künstlerin mit ihren Bildbotschaften auf größtmögliche Freiheit und Offenheit im Dialog mit dem Betrachter ab. Das gilt daher auch für die Bilder ihrer Serie "About Photography", die gänzlich ohne Farbe auskommen und meist außerhalb des Fotoateliers entstanden sind. Sie beziehen sich auf konkrete Arbeiten von Fotografien wie von Thomas Struth, bei dem Kexin Zang unter anderem studierte, sowie weiterer Berühmtheiten wie Cindy Sherman, Andreas Gursky, Helmut Newton oder Jeff Wall. Obwohl auch diese Arbeiten mithilfe des I Ging konstruiert, ergibt sich hier eine anders geartete Bildsprache, die auf eine eher filmische Art und Weise erzählerisch ist, und in diesem Sinne wohl poetischer auch.

Der beim Betrachter möglicherweise einsetzende Reflex angesichts der Serie "About Photography", diese Bilder im landläufigen Sinne als schön zu bezeichnen, lässt sich mit der Auffassung von Kexin Zang nur bedingt in Einklang bringen. Geht es ihr doch in letzter Instanz gar nicht so sehr um die Inszenierung schöner Bilder, sondern vielmehr darum, das Thema von Wahrnehmung und Täuschung einer grundlegenden Reflektion zu unterziehen. "Das Bild ist nur eine Täuschung", sagt Kexin Zang und schließt gleich im nächsten Satz auch die Wahrnehmung in ihre These mit ein. Wenn sie mit Fotografie arbeitet, ist es eine Möglichkeit von vielen, sich auf diesem schmalen Grat der Befragung und Selbstbefragung zu bewegen. Das I Ging wird dabei zu einer Möglichkeit von vielen, auf diesem Weg das Lot immer wieder neu zu werfen. In letzter Instanz wird sich Kexin Zang, die abwechselnd in Berlin und China lebend in beiden Kulturen verhaftet ist und sie in sich auf gänzlich neue Weise vereint, weder auf das I Ging noch sonstige philosophische oder wissenschaftliche Systeme festlegen lassen. Stattdessen initiiert sie offene Prozesse, die den Betrachter durch den Sog der Bilder mitnehmen. Indem sie in ihren Arrangements unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung miteinander verschränkt, spielt Kexin Zang mit der Ambivalenz von Illusion und Täuschung.

Bis 17. Oktober, mittwochs, 11-18 Uhr, donnerstags/freitags, 15-18 Uhr, samstags/sonntags, 12-17 Uhr, im Ulanenweg 9

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